Welche Nahrungsmittel machen am stärksten süchtig?

Ich befinde mich im Rahmen meines Praktischen Jahres Innere Medizin derzeit mal wieder auf der Herz-Kreislauf- und Diabetes-Station, auf welcher ich bereits vor 6 Jahren auch mein Pflegepraktikum absolviert habe. Damals wurde mir im Kontakt mit einem adipösen Patienten auf dieser Station bewusst, dass Essen eine Sucht sein muss. Diesem Patienten schlug ich vor, dass er zur Behandlung seines Typ-2-Diabetes vielleicht auch an den „Gemüsetagen“ teilnehmen könne, einer Ernährung, die im Rahmen der Diabetikerschulung auf dieser Station drei Tage lang durchgeführt wird, um die Insulinresistenz der Patienten zu „knacken“. Diese „Gemüsetage“ bestehen aus einer fettarmen, rein pflanzlichen Ernährung. 

Ja, du hast richtig gehört: Fettarme, vegane Ernährung wird von diesem Krankenhaus, das im Rheinland besonders im Bereich Diabetes anerkannt ist, dazu genutzt, Insulinresistenz zu beseitigen. – Nur um nach diesen 3 Tagen wieder mit der herkömmlichen Ernährung fortzufahren.

Warum? Frage ich mich. – Wurde dort noch nie darüber nachgedacht, den Patienten diese Ernährung dauerhaft zu empfehlen? Offensichtlich nicht.

Ich vermute, dass sich hier die Beteiligten, ebenso wie Frank Sachs, Erfinder der DASH-Ernährung gegen Bluthochdruck, denken: „Das hält der Patient doch eh nicht durch.“ – Was einer totalen Bevormundung gleichkommt. – Und einer Projektion: Denn tatsächlich glauben die Ärzte und Schulungsmitarbeiter, dass sie es selber nicht durchhalten würden. Denn obwohl sie (noch) nicht unter den Krankheiten leiden, wegen der die Patienten im Krankenhaus sind, sitzen auch die Ärzte in der Lustfalle. Möglicherweise aber haben sie weniger Zeit zu essen oder aber sie haben Gene, aufgrund derer sie das leichter wegstecken. 

Sich so zu ernähren, wie ich es tue, käme für sie selbst absolut nicht in Frage. Und so schlagen sie es ihren Patienten auch nicht vor. 

Dazu kommt, dass sie die Datenlage auch schlicht und ergreifend nicht kennen und nicht wissen, dass man mit dieser Ernährung Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas heilen kann. 

SIE WISSEN ES EINFACH NICHT!😳

Es gibt nur zwei Sorten Ärzte: Vegane und solche, die die Datenlage nicht kennen.😉

Diese Woche sprach mich eine Ärztin auf meine Ernährung an: Sie wollte wissen, ob ich auch mal Ausnahmen machen würde und meinte, dass man doch nicht immer rein pflanzlich essen könne. Nicht, dass ich je erwähnt hätte, wie ich mich ernähre. Der Tratsch hat es durch das Krankenhaus verteilt! Eine der Assistenzärztinnen hat mit mir das Studium begonnen und rum getratscht, dass ich einen YouTube-Kanal habe. Und neugierig, wie sie sind, haben sie dann reingeschaut.

Das ist schlussendlich aber auch gut so, denn wie sollen sie sonst von den Vorzügen einer fettarmen, vollwertigen, pflanzlichen Ernährung erfahren. Durch ihre Oberärzte oder Fachjournale jedenfalls nicht. Sie haben keine Zeit, die Literatur zu durchforsten und die Oberärzte wissen es ebenfalls nicht.

Und so habe ich dieser Ärztin, die davon überzeugt ist, dass Diabetiker und Übergewichtige einfach nur faule und willensschwache Menschen sind, erzählt, was ich vor 6 Jahren auf der Station erlebt habe. Das Suchtverhalten eines dicken, diabetischen Mannes. 

Denn die Geschichte, mit der ich diesen Blogbeitrag eingeleitet habe, ging ja noch weiter. Die Vorstellung von drei Tagen fettarmer, pflanzlicher Ernährung brachte diesen erwachsenen Mann dazu, in Tränen auszubrechen. – DAS kam mir sehr merkwürdig vor. – Man heult doch nicht, weil man bestimmte Nahrungsmittel, die einen krank machen, nicht essen soll. Für DREI TAGE! 

Daraufhin fing ich an, das Thema „Esssucht“ zu recherchieren und die Studienlage ist allumfassend!

Zurück zu meiner ärztlichen Kollegin. Sie schüttelte ungläubig den Kopf: Stets in dem Bewusstsein, dass Essen doch gar keine Sucht sein kann. Sie selbst betrifft es ja auch nicht. Sie kann Schokolade essen und wird davon nicht übergewichtig. Aber man sollte eben nicht von sich auf andere schließen.

Leider ist es so: Manche Menschen sind bezüglich Süchten genetisch vorbelastet und vulnerabler. Zudem wählen verschiedene Menschen verschiedene Süchte: Manche können unregelmäßig Alkohol trinken, ohne süchtig zu werden, manche können unregelmäßig rauchen, ohne süchtig zu werden und manche können unregelmäßig Drogennahrung konsumieren, ohne davon süchtig zu werden. Aber manche Menschen eben NICHT: Bei manchen wird Essen erst zur Sucht, wenn sie das Rauchen bleiben lassen. Und andere greifen erst nach einer Magen-Bypass-OP zu anderen Drogen.(1) Das heißt ab dem Moment, wo sie physiologisch kein Essen mehr nutzen können, weil der Magen zu klein ist, um einen ausreichenden KICK zu kriegen.

Und Ärzte wissen absolut gar nichts darüber! – Nicht mal die, die Diabetikerschulungen betreuen!

Und das, obwohl sich die Eliteuniversitäten sehr wohl schon mit Essen als Sucht beschäftigt haben. Yale hat eine eigene Skala zur Diagnose von Esssucht entwickelt, die Yale Food Addiction Scale (YFAS).

Und dieses Tool wurde dann auch verwendet, um herauszufinden, welche Nahrungsmittel das größte Suchtpotential haben. 

Man hat hier (2) 120 Probanden rekrutiert. Alles Studenten, die 20 Dollar für ihre Teilnahme bekommen haben und denen man 35 Nahrungsmittel vorgestellt hat. Die Studenten waren im Alter von 18-23, ein Alter, in welchem man häufig noch kein hochgradiges Übergewicht oder die Folgekrankheiten entwickelt hat. Dennoch konnte man auch hier bereits sehen, dass mit höherem BMI auch eine größere Esssuchtproblematik vorhanden war.

Und hier die Top 10 der für 18-23 jährige Akademiker problematischsten Nahrungsmittel. Problematisch im Sinne von suchtartigem Verhalten fördernd:

10. Muffin

9. Cheeseburger

8. Popcorn mit Butter

7. Kuchen

6. Chips

5. Kekse

4. Pizza

3. Pommes

2. Eiscreme

1. Schokolade

Wer hätte das gedacht! – Schoko ganz oben!😉

Auf den Plätzen 30-35 befinden sich übrigens:

30. Möhren

31. Brauner Reis

32. Wasser

33. Gurke, ohne Dip

34. Brokkoli

35. Hülsenfrüchte

Zum einen fällt auf, dass sich auf den oberen Plätzen keine natürlichen Nahrungsmittel befinden und zum anderen, dass sich die Suchtbeobachtung mit der Kaloriendichte deckt. Je größer die Kaloriendichte, desto stärker macht ein Nahrungsmittel süchtig. Und meistens machen die Nahrungsmittel besonders süchtig, die etwas aufweisen, was es in der Natur so gut wie gar nicht gibt: Viele Kohlenhydrate UND viel FETT.

Die Lösung für das Übergewichtsproblem, welches Schätzungen zufolge bis 2030 (3) 85% der Bevölkerung der USA betreffen soll (und in Deutschland sicherlich nur geringfügig weniger) ist demnach, sich nicht mehr von süchtig machenden Nahrungsmitteln zu ernähren, sondern von solchen, die nicht süchtig machen und eine niedrige Kaloriendichte aufweisen. So kann man sich satt essen, gesund werden und gleichzeitig abnehmen.



1) Conason A, Teixeira J, Hsu C, Puma L, Knafo D, Geliebter A. Substance Use Following Bariatric Weight Loss Surgery. JAMA Surg. 2013;148(2):145–150. doi:10.1001/2013.jamasurg.265 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23560285

2) Schulte EM, Avena NM, Gearhardt AN. Which foods may be addictive? The roles of processing, fat content, and glycemic load. PLoS One. 2015;10(2):e0117959. Published 2015 Feb 18. doi:10.1371/journal.pone.0117959 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25692302

3) Wang Y, Beydoun MA, Liang L, Caballero B, Kumanyika SK (2008) Will All Americans Become Overweight or Obese? Estimating the Progression and Cost of the US Obesity Epidemic. Obesity 16: 2323–2330. pmid:18719634 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18719634