Die andere Seite der Esssuchtmedaille

Die Raus aus der Lustfalle Challenge beschäftigt sich zu 90% mit der Auswirkung der Nahurungsmittel auf das Belohnungssystem. Gewisse Nahrungsmittel können Binge Eating Anfälle triggern. Gewisse andere Nahrungsmittel können das Belohnungssystem hingegen stabilisieren. Das Weglassen bestimmte Nahrungsmittel oder anderer Substanzen, die auf das Belohnungssystem wirken, können den Verzicht von anderen Nahrungsmitteln und Substanzen unterstützen.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind selbstverständlich die zugrundeliegenden Emotionen.

Der Grund warum wir überhaupt Substanzen konsumieren ist, um uns aus unerträglich scheinende Spannungszustände zu befreien. Das funktioniert einerseits mit Drogen und hochkalorischer Nahrung, andererseits machen Boderliner aber genau das Selbe, wenn sie auf die Idee kommen, sich zu ritzen. Ähnlich wie ein Boderliner kann auch jemand, der sich überisst und mit Nahrung vollstopf, bis der Magen bis fast zum Bersten gespannt ist, versuchen diese scheinbar unerträgliche Spannung mit einer anderen Spannung, einer körperlichen Spannung, zu beseitigen.

Die eigentliche Ursache aber, die den einen zum Essen oder Drogenkonsum bringt, den anderen dazu sich zu ritzen oder anderweitig zu schaden, ist aber die Spannung. Somit ist die eigentliche Ursache des Drogenkonsums ein unerträgliches Gefühl, das jedes Mal auch eine Ursache hat.

Traumaforscher sehen diese Ursache in mangelnder Selbstwirksamkeit. Man sieht sich mit einer Situation konfrontiert, von der man annimmt, dass man sie nicht ändern kann. Also bleibt als einziger Ausweg die Regulation der durch diese Situation verursachten negativen Gefühle durch Substanzge- oder missbrauch.

2015 erschien ein Artikel in der Huffingten Post über die wahrscheinlich eigentliche Ursache von Drogenkosum. Der unerträglichen Situation. Der Autor des Artikels ist Johann Hari, Autor des Buchs: „Chasing the Scream – The Search for the Truth about Addiction“ ein Journalist, welcher sein Leben nach fasziniert von der Frage war, wie Drogensucht überhaupt entsteht und genau wie jeder andere davon überzeugt war, dass die Ursache der Konsum von Drogen selbst sei.

Er schildert in dem Artikel wie diese Annahme überhaupt zustande kam, nämlich über Experimente mit Ratten, welche man in einen Käfig gesperrt hatte, um ihnen dann die Wahl zwischen dem Konsum von Wasser oder Wasser mit Kokain zu lassen. Dabei wählten 9 von 10 Ratten das Kokain. Ergo: Kokain per se macht süchtig.

In den 70er Jahren sei dann der Psychologe Bruce Alexander auf die Idee gekommen, das selbe Experiment zu verändern. Statt die Ratten einfach nur in einen Käfig zu setzen und sie mit einer Droge zu konfrontieren baute er ihnen einen „Rattenpark“. Ein Käfig, in welchem die Ratten sich nicht einfach nur langweilen konnten, sondern die Möglichkeit hatten mit Bällen zu spielen, durch Tunnel zu laufen, sie durften mit anderen Ratten zusammen sein und hatten somit andere Dinge als Drogen, die auf ihr Belohnungssystem wirken konnten.  Und auch in diesem Rattenpark gab es eine Flasche mit reinem Wasser und einem welches Kokain enthielt. Im Gegenzug zum vorherigen Experiment mochten die Ratten im Rattenpark das Kokainwasser nicht sonderlich gerne und keine einzige von ihnen konsumierte so lange, bis sie starb.

Bruce Alexander kombinierte beide Experimente im Anschuss und ließ die allein eingesperrten drogensüchtigen Ratten aus ihrer Einsamkeit in den Rattenpark. Diese Ratten überkamen im Rattenpark faszinierenderweise ihre Sucht. Sie hatten leichte Entzugserscheinungen und entwöhnten sich langsam vom regelmäßigen Konsum. 

Und also die Ursache einer Sucht zu beseitigen muss im menschlichen Alltag ein Äquivalent des Rattenparks gestaltet werden. Wir brauchen wohlgesonnene Mitmenschen, mit denen wir uns austauschen und Gemeinschaft pflegen können. Wir brauchen Selbstbestimmung und Abwechslung in unserem Leben. Wir brauchen eine sinnvolle Aufgabe, der wir uns widmen können.

Was uns in Süchte treibt ist die Abwesenheit all dessen. Ein langweiliges oder einsames Leben zu führen, dass nur aus Arbeit besteht, welche keinen Sinn macht, außer, dass sie unseren Lebensunterhalt bestreitet. Die mangelnde Möglichkeit kreativ zu werden, einem Hobby nachzugehen und die Dinge zu tun und zu erleben, die wir in diesem Leben erleben möchten.

Ein übergewichtiger Suchtesser findet sich häufig in einem Leben wieder, welches ihm eigentlich überhaupt nicht gefällt. Nur realisiert er es nicht, weil er isst. Und weil er es nicht realisiert, kommt er überhaupt nicht auf die Idee etwas dagegen zu unternehmen. Vielleicht ist er auch zur sogenannten „erlernten Hilflosigkeit“ erzogen. Vielleicht hat man ihm eingeredet, dass er nicht so leben darf, wie er will oder dass er dazu eh nicht die Fähigkeit hat oder auch einfach, dass man „das so nicht macht“, dass viel Arbeiten eine Tugend ist und dass das seine Pflicht sei. Die „Käfige“ in denen wir Menschen uns befinden sind vielfältig, aber führen bei vielen zu den selben Problemen, da auch in unseren Käfigen alle Substanzen in Hülle und Fülle vorhanden sind.

Durch den Aufbau eines menschlichen Äquivalent des Rattenparks könnte es uns allen möglich sein nicht süchtig zu sein und dennoch nicht abstinent sein zu müssen. Jedoch muss sich hier jeder einzelne aus seinem Käfig befreien. Die Gesellschaft oder die Politik wird das nicht tun. Für sie sind Menschen in „Käfigen“ leichter kontrollierbar. Ist doch egal, ob sie die letzten 30 Jahre ihres Lebens leidend in Krankenhäuser liegen oder die Nebenwirkungen ihrer Medis ertragen müssen.

Ich rufe daher dazu auf, dich aus deinem Käfig zu befreien. Versuche dein Leben zu verbessern, es mehr nach deinen Wünschen zu leben, mehr von dem zu tun, was du eigentlich tun willst. Das Leben ist zu schnell vorbei. Selbst wenn man nicht vorzeitig an den Folgen von Rauchen, Saufen und Fressen verstirbt. In diesem Sinn!