Etwa jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig oder adipös. Unter den 11- bis 13-Jährigen ist es sogar jedes fünfte. Bereits im Kindesalter kann Adipositas die Gesundheit beeinträchtigen und bis ins Erwachsenenalter negative gesundheitliche Folgen haben. Und wie bei Erwachsenen greifen auch bei Kindern die selben Mechanismen im Belohnungssystem. Und wenn wir schon bei uns selber nicht in der Lage sind das Verhalten zu ändern. Wie können wir unsere Kinder davor bewahren? Am besten, indem wir mit gutem Beispiel voran gehen. Es nützt nichts, wenn das Kind an einem Tag sieht, wie wir Diät halten und am darauffolgenden einen Fressanfall...
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Transkript:
Hi und willkommen!
Heute zum Thema “Hilfe mein Kind ist esssüchtig!”, ein Thema, was ich noch nie thematisiert habe.
Daher bin ich froh, dass mich eine Zuschauerin darauf gebracht hat, mal darüber zu reden. Und zwar
ist es eine langjährige Followerin von mir, die mich anschrieb, mit Sorge um ihren 13-jährigen Sohn,
der wohl mit seinem Körper unzufrieden sei. Sie fragte, ob es sinnvoll wäre, wenn er sich mein
Webinar, was ja diesen Donnerstag stattfindet, anschauen würde. Denn er würde aus emotionalen
Gründen essen und sei aber noch nicht zu dick. Hätte aber ein kleines Bäuchlein und hadere mit sich
und seinem Aussehen.
Ich habe natürlich noch nie darüber nachgedacht, ob ich Kindern auch Esssuchttherapie angedeihen
lassen kann, oder so. Denn ich habe nicht vor, Kinder- und Jugendpsychiater zu werden. Andererseits
habe ich keine eigenen Kinder, also ich habe noch nicht einmal selber Erfahrungen damit. Deswegen
habe ich ja auch Marianne Falk interviewt, die das Buch “Zuckerfrei von Anfang an” geschrieben hat.
Was in dem Buch stand, das wusste ich schon alles. Aber was ich nicht weiß, ist, wie der Umgang mit
Kindern und wie der Alltag ist. Denn meine Kleine trinkt ja immer noch Muttermilch, mit ihren knapp
fünf Monaten.
Naja. Und dann habe ich darüber nachgedacht: macht es Sinn, ein 13-jähriges Kind mein Webinar
ansehen zu lassen? Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht so ist. Ich glaube, es ist
tatsächlich wichtiger, wenn die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen. Denn diese Zuschauerin von
mir, die hat schon vor vier bis fünf Jahren, selber die “Raus aus der Lustfalle”- Challenge in der
Facebook-Gruppe gemacht. Damals, als ich die nur getestet habe, ob die auch bei anderen Leuten
funktioniert. Und wir sprachen damals auch schon darüber, dass es in der Familie eigentlich jeden
Tag Süßigkeiten zu essen gab. Dass das völlig normal sei. Und in Anbetracht dessen, dass sie sich
natürlich für mein Programm interessiert, darf ich annehmen, dass auch da ein Esssuchtproblem
oder ein emotionales Essproblem bei ihr besteht. Also was tun?
Gottseidank fiel mir aber auch ein, dass ich ja eine Teilnehmerin hatte, deren Familie ebenso davon
betroffen ist und die sich Sorgen machte, dass ihre zehnjährige Tochter sich bei ihr das schlechte
Essverhalten abguckt. Das ist die Teilnehmerin, von der ich letzte Woche auch erzählt hatte, die
schon einen Chirurgen konsultiert hatte, um sich einer Magen-OP zu unterziehen. Die dann im April
diesen Jahres angefangen hat, das “Raus aus der Lustfalle”- Programm zu machen, unter meiner
Leitung, also den Kurs gekauft hat. Und das zusammen mit Mann und zehnjähriger Tochter gemacht
hat, die auch beide übergewichtig sind. Und seitdem hat sie keine Schokolade mehr gegessen. Und
die Tochter ist tief beeindruckt davon, dass Mama schon seit April keine Schokolade mehr gegessen
hat. Jetzt ist sie aber die Einzige, die das weiter durchgezogen hat, das Programm. Mann und Tochter
dürfen außerhalb des Haushaltes essen, was sie wollen. Und natürlich geht die Kleine dann in die
Schule und Essen in der Schule ist sowieso eine Katastrophe. Und überall essen die anderen Kinder
dann Süßigkeiten oder es gibt nur Süßigkeiten zu kaufen, da am Schulkiosk und diese Dinge. Und
natürlich isst sie dann da auch Süßigkeiten und hadert auch mit sich selbst, will das eigentlich selber
nicht, weil sie die Konsequenzen nicht haben will. Und das Nächste, was ihre Mutter ihr dann gesagt
hat, war: “Wenn du morgens das Gemüsefrühstück isst, dann wird das leichter, tagsüber keine
Süßigkeiten zu essen”.
Lange Rede, kurzer Sinn. Was ich damit sagen will: ich glaube es ist wichtiger, wenn man selbst,
persönlich, seine eigene Ess-Sucht in den Griff kriegt, den Kindern gutes Beispiel ist. Denn, wie heißt
es so schön? “More is caught than taught”. Also die Kinder schnappen mehr auf, als man ihnenbeibringt. Und natürlich kann man ihn nicht beibringen, ihre Gefühle nicht mit Süßigkeiten zu
regulieren, wenn man selber seine Gefühle mit Süßigkeiten reguliert. Das kriegen die mit, die
machen das nach.
Daher ist mein Ratschlag, hier in diesem Moment, sich mal an die eigene Nase packen und selber
vielleicht das Webinar gucken. Und selber das umsetzen, was man möchte, dass das Kind tut. Denn
so kann man ihm am besten helfen. Es bringt nichts, es zu beschämen. Das hat meine Tante mit
meiner Cousine gemacht. Sie hat ihr gesagt: “Ich schäme mich, mit dir auf die Straße
zu gehen, weil du so fett bist”. So was. Das bringt überhaupt gar nichts. Das geht nur nach hinten los.
Dann natürlich noch ein Faktor: belohnt man denn die Kinder selber mit Essen? Sprich, wenn die
etwas Gutes getan haben, dass man ihnen Süßigkeiten erlaubt oder dass man sie bestraft, indem
man ihnen das Dessert vorenthält. Ich gestehe, auch ich hatte überlegt, da ich nicht will, dass mein
Kind dauernd und regelmäßig und immer Zucker zu essen bekommt, ob man Zucker zur Belohnung
verwenden könnte. Und dann lese ich... Wie konnte ich nur so doof sein? Dieses Buch hat mir auch
eine Kursteilnehmerin geschenkt, die vier Kinder hat. Hervorragend. Hervorragendes Buch. Und ich
bin ein ultra-kritischer Mensch. Da steht drin, man soll Kinder auf keinen Fall mit Essen belohnen
oder bestrafen. Und das ist natürlich auch klar. Denn, wenn man das als Kind lernt, dass man sich mit
Essen belohnen oder bestrafen kann, dann macht man es als Erwachsener auch. Das macht man
immer. Man macht immer das nach, was seine Eltern gemacht haben oder eben nicht gemacht
haben. Wenn die Eltern nicht gelernt haben, das Kind anständig zu trösten, sondern ihm nur
Süßigkeiten in die Hand zu drücken, dann wird es für den Rest seines Lebens, es sei denn, es kämpft
dagegen an oder kauft meinen Kurs, genauso selber handeln und die Gefühle mit Essen regulieren.
Das heißt dann natürlich, für betroffene Eltern, in dem Moment auch: wenn ihr ein Kind habt, dass
emotional isst, dann müsst ihr anders mit den Emotionen des Kindes umgehen. Ich weiß jetzt nicht
wie, das hängt wieder vom entsprechenden Gefühl ab, und so weiter und so fort, was da los ist. Aber
Kinder brauchen Trost. Sie brauchen Aufmerksamkeit. Sie brauchen Spiegelung. Sie brauchen das
Gefühl von Selbstwirksamkeit. Und sie brauchen das Gefühl, genauso, wie sie sind, gut genug zu
sein.
Ich habe ja auch das “Raus aus der Lustfalle”- Member - Programm, wo wir dann uns wirklich jede
Woche treffen, alle Betroffenen, und wir dann auch darüber reden, wie unsere Kindheit verlaufen ist
oder wie unsere Prägung stattgefunden hat. Und die haben alle sowas in der Vergangenheit. Nicht
alle, die so etwas in der Vergangenheit haben, werden zu Suchtessern, aber greifen vielleicht zu
anderen Süchten. Es gibt ja Milliarden von Süchten, was man alles machen kann, um sich von seinen
Gefühlen abzulenken und seine Sachen zu kompensieren. Beschäftigungswahn ist zum Beispiel auch
so etwas. Beschäftigungswahn oder Arbeitssucht oder weiß der Geier was. Alles, um sich bloß nicht
mit seinen Gefühlen auseinandersetzen zu müssen. Der Eine isst, der Andere säuft, der Dritte raucht,
der Vierte arbeitet zu viel, der Fünfte macht zu viel Sport, etc..
Was will ich damit sagen? Ihr müsst ein gutes Beispiel sein. Ihr müsst ein gutes Beispiel sein und
müsst selbst nicht an dem einen Tag sagen: “Mama ist jetzt auf Diät und isst anders” und vier Tage
später seid ihr rückfällig und das Kind sieht euch dabei, wie ihr einen Becher Eis leer macht. Das
liefert das falsche Signal.
Es gibt - das wollte ich an dieser Stelle auch nochmal zeigen - dieses Buch “Little Sugar Addicts”. Das
habe ich der Mutter schon mal empfohlen, vor mehreren Jahren. Das soll nicht als Vorwurf hier
rüberkommen oder so. Absolut. Ich weiß, wie sau schwer das ist. Das ganze Konzept ist sau schwer.Weil die Gesellschaft macht es uns sauschwer, hier irgendwas Produktives zu machen. Das ist also
“Little Sugar Addicts” von Kathleen DesMaisons, die auch dieses “Potatoes Not Prozac” geschrieben
hat. Die Kinder hier drin, die leben komplett zuckerfrei. Das tun auch die Kinder, oder fast, die
Kinder, über die Marianne Falk schreibt, beziehungsweise ihre Kinder. Zuckerfrei von Anfang an,
Ausnahmen gibt es außer Haus und zu besonderen Feiertagen.
Also es ist ein Problem. Und es ist besonders in Anbetracht dessen ein Problem, dass die Schulen
und Kindergärten da so gar nicht, also so gar nicht! - mitmachen, habe ich das Gefühl. Also ich
hadere wirklich ganz schlimm damit, wo ich die Lilly hinschicken soll, irgendwann in die Betreuung.
Momentan ist mein Plan Waldorf - Konzept, weil da kriegt man vegetarische Vollwertkost. Das ist so
das Nächste dran, was ich an gutem Essen irgendwo finde.
Okay. Das soll es gewesen sein heute. Wenn ihr Fragen habt, gerne unten drunter. Und lasst mich
mal wissen, wie es euch geht, mit euren Kindern.
Ich sage Ciao bis Donnerstag.
Ach so. Nein Quatsch. Wir machen ja ein Webinar. Ich wollte euch ja auch an das Webinar erinnern.
Unter www.silke-rosenbusch.de/esssucht gibt es wieder ein Webinar. Um 19 Uhr, diesen
Donnerstag. Zum Thema “Essen als Sucht”. Kostenlos, dauert etwa 45 Minuten der Vortrag.
Anschließende Fragestunde gibt es dann auch zum Thema: Was ist überhaupt Esssucht? Welche
Belohnungsbotenstoffe spielen eine Rolle? Welche Nahrungsmittel machen süchtig? Wie wurde man
esssüchtig? Und natürlich auch: Wie kommt man da wieder raus?
www.silke-rosenbusch.de/esssucht
Das war’s. Ich und Lilly sagen Ciao.
Macht’s gut. Bis Donnerstag
In der Suchtprävention gilt das Prinzip „Rattenpark“ in der Kindererziehung schon seit Jahren als Goldstandard der Vorbeugung gegen Alkohol- und Drogenkonsum bei Minderjährigen. Und zwar bei Kindern und bei deren Bezugspersonen. Wegen der Vorbildfunktion. Siehe: https://silke-rosenbusch.de/2019/06/20/die-andere-seite-der-esssucht-medaille/